
Manchmal, wenn ein Kapitel sich dem Ende zuneigt, spürt man es nicht an einem bestimmten Moment, sondern an einer Stimmung, die leise in einem aufzieht. Unser letzter Seetag war genau so ein Tag. Wir waren schon jetzt getragen von Dankbarkeit, leiser Melancholie und dem Bedürfnis, all das Erlebte endlich ein wenig zu sortieren. Denn in den Tagen zuvor hatte uns die Reise so viele Eindrücke geschenkt, dass unsere Emotionen kaum hinterherkamen.
Der Morgen begann, wie fast jeder Tag dieser Reise, mit einem Kaffee auf unserem Balkon. Diesmal allerdings ohne die goldene Kulisse eines Sonnenaufgangs. In der Nacht lag noch dichter Nebel über dem Meer, fast schon mystisch, als wolle er das Schiff für einen Moment vor der Welt verstecken.
Der Horizont war verschwunden, das Wasser verschmolz mit dem Himmel, und aus dieser weißen Stille heraus ertönte zum ersten Mal auf dieser Reise das dumpfe, fast ehrfürchtige Tönen des Nebelhorns. Ein Klang, der auch ein bisschen unter die Haut ging. Der Moment war still und besonders, gefühlt ein kleiner Zauber am Rande der Welt.
Dafür das es in der Nacht noch so diesig und nebelig war, hatten wir aber auch gar nicht mit einem Sonnenaufgang gerechnet.
Das Frühstück nahmen wir mal wieder im Marktrestaurant ein, welches an Seetagen natürlich gut besucht war. Stimmengewirr, klapperndes Geschirr, Kinderlachen und doch lag über allem eine entspannte Gelassenheit. Niemand hetzte, niemand eilte. Es war dieser eine Tag, an dem man wirklich nichts verpassen konnte, weil das eigentliche Ziel die Entschleunigung selbst war.
Der Vormittag verlief wie im Fluss. Wir spazierten an Deck, ließen uns den Wind um die Nase wehen und genossen einfach das Gefühl, auf dem offenen Meer unterwegs zu sein. Zwischendurch zogen wir uns auch mal in die Kabine zurück, legten die Beine hoch, hörten das sanfte Grollen des Meeres unter uns und ließen unsere Gedanken treiben. All die Häfen, die wir gesehen, all die Farben, Düfte und Begegnungen, sie wirkten schon jetzt in uns nach. Es war, als würde die Reise langsam ihren eigenen Nachhall erzeugen. Wir freuten uns natürlich sehr auf die kommenden zwei Tage aber die Wehmut war doch deutlich spürbar aber eben auch Dankbarkeit das wir das so erleben durften.
Nach einem gemütlichen Mittagessen im Brauhaus mit der mal wieder etwas deftigeren Küche, einem kühlen Getränk und einem netten Gespräch, frischte der Wind ein wenig auf. Ich schnappte mir meine Kamera und ging hinaus auf Deck 5, wo der Außenbereich an Seetagen ein Ort für echte Entdecker ist. Ich machte einige Aufnahmen, filmte die endlose Weite, die sich in ständigem Wandel präsentierte, mal glatt und verspiegelt, dann wieder aufgewühlt, wie ein Ozean in Gedanken.
Zurück in der Kabine widmete ich mich meinem kleinen Hobby, ich machte Shipspotting. Mit dem 200–600 mm suchte ich den Horizont ab und wurde tatsächlich fündig, da draußen zog unser Schwesterschiff, die AIDAbella, vorbei. Fast ein kleiner Gänsehautmoment. Mit der AIDAbella hatten wir ja quasi ein Schwesterntreffen, allerdings war das Schiff wohl einige Kilometer von unserem enfernt. Ein bisschen sehnsüchtig schaute ich aber schon, denn schließlich fuhr die Bella in Richtung Norden und wir ja mittlerweile bereits wieder in Richtung Heimat.
Auch ein MSC-Schiff konnte ich noch erspähen und einige Containerschiffe. Der Nachmittag zog dahin und wie so oft an solchen Tagen, begannen wir uns auf den Sonnenuntergang zu freuen. Die Lichtstimmung veränderte sich, das Meer nahm goldene Reflexe an, und für einen Moment schien alles perfekt inszeniert.
Doch kurz vor dem großen Finale schob sich ein hartnäckiges Wolkenband vor die Sonne und raubte uns so die letzten Strahlen. Kein Feuerball am Horizont, kein flammender Abschied leider nur ein sanftes Verblassen und irgendwie passte auch das zu diesem Tag. Ich kann euch aber versichern, wir bekamen auch auf dieser Reise noch einen tollen Sonnenuntergang.
Am Abend suchten wir uns einen Platz im Theatrium und ließen uns von der Show unterhalten. Lachen, Musik, Applaus es war wieder alles sehr unterhaltsam und leicht, genau das was man an einem solchen Abend braucht.
Später saßen wir noch lange an der AIDAbar, mit einem Glas in der Hand und dem Blick hinaus ins Dunkel. Es war ein sehr schöner und ruhiger Abend, wie er wohl erst zum Ende einer solchen Reise entstehen kann. Wir sprachen über vieles, was wir bisher erlebt hatten, und natürlich auch über das, was noch vor uns lag. Wir freuten uns auf den Oslofjord und Norwegens Hauptstadt und natürlich auch auf Göteborg. Zwei letzte Höhepunkte, bevor wir wirklich Abschied nehmen würden.
Da war sie wohl wirklich, diese Wehmut, die man nicht wegreden und auch nicht ignorieren kann. Wir verstanden sie als Zeichen dafür, dass diese Reise etwas mit uns gemacht hatte. Dass sie etwas in uns berührt hatte.
Viele sagen ja, ein Seetag sei langweilig. Andere behaupten, er sei überlaufen und anstrengend. Für uns war er einfach nur wunderschön. Ein Tag, an dem man alles fand, was man suchte, ein wenig Trubel und Leichtigkeit aber auch stille Ecken, in denen man allein sein konnte. Manchmal braucht es ja genau das, um eine Reise wirklich zu begreifen, einfach mal einen Tag, an dem nichts geschieht außer dem was man eben selbst daraus macht.
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